German: In den vergangenen Jahren hat sich die Datenlage zum Zustand der Abwasserkanalisation und zur Wirkung unterschiedlicher Sanierungsverfahren stetig verbessert. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden durch das Kompetenzzentrum Wasser Berlin und die Berliner Wasserbetriebe Prognosemodelle zur Bewertung unterschiedlicher Sanierungsszenarien sowie zur Lokalisierung schadhafter Kanäle entwickelt. Die vorliegende Studie zeigt den Weg von Bestands- und Zustandsdaten des Kanalnetzes zu einem an die lokalen Randbedingungen angepassten Simulationswerkzeug für die strategische Kanalsanierungsplanung. Dabei werden Methoden zur modellgestützten Ergänzung von Datenlücken sowie die entwickelten Modellkomponenten für Kanalalterung und -sanierung vorgestellt. Darüber hinaus werden Ergebnisse ausgewählter Sanierungsszenarien und die wichtigsten Prognoseunsicherheiten diskutiert. Der entwickelte Ansatz unterstützt die Kanalsanierungs- und Investitionsplanung von Kommunen und hilft, den Zustand der Abwasserinfrastruktur langfristig zu erhalten oder zu verbessern.
Studien zur Entwicklung der Abwasserinfrastruktur in Deutschland zeigen, dass die derzeitigen Investitionen nicht ausreichen, um die fortschreitende Alterung der Kanalisation aufzuhalten. Um Prognosen zur zukünftigen Entwicklung des baulichen Zustands machen und daraus Investitionsentscheidungen ableiten zu können, wurden im Rahmen des Forschungsvorhabens SEMA-Berlin in enger Kooperation mit den Berliner Wasserbetrieben verschiedene Alterungsmodelle für die lokalen Gegebenheiten getestet und hinsichtlich ihrer Genauigkeit bewertet. Mit diesen Modellen kann der Zustand nicht inspizierter Kanalabschnitte simuliert und die zukünftige Entwicklung des Netzzustandes prognostiziert werden. Die Modelle berücksichtigen Ergebnisse von mehr als hunderttausend Kamerabefahrungen sowie Daten zu individuellen Kanaleigenschaften und Umgebungsfaktoren der Stadt Berlin. Zwei der getesteten Modelle, die den Zustand der Kanalisation mit besonders hoher Genauigkeit wiedergeben können, wurden nun in die Praxis überführt, um i) die bedarfsgerechte Planung von Kanalinspektionen und ii) die langfristige Kanalsanierungs- und Investitionsplanung zu unterstützen. Für den ersten Anwendungsfall werden mit Hilfe von „Maschinellem Lernen“ prioritäre Kanalabschnitte identifiziert und visualisiert. Die Modellergebnisse ermöglichen eine bedarfsgerechte Inspektion von dringend sanierungsbedürftigen Kanälen und eine georeferenzierte Verschneidung mit anderen Bauaktivitäten. Für den zweiten Anwendungsfall werden mit Hilfe eines statistischen Alterungsmodells langfristige Prognosen zur Zustandsentwicklung des Kanalnetzes unter Berücksichtigung verschiedener Investitionsszenarien erarbeitet. Das eigentliche Kanalalterungsmodell wird dafür mit Modellbausteinen für verschiedene Sanierungsverfahren kombiniert, die die Wirkung von Reparaturen, Schlauchlining oder Erneuerung auf den baulichen Zustand simulieren. Neben dem baulichen Zustand des Netzes berechnet das Werkzeug für den Betreiber wichtige Kennzahlen zu Sanierungskosten, zum Netzalter und zur Restnutzungsdauer der Kanäle. Dabei werden auch Unsicherheiten in den Prognoseergebnissen quantifiziert. Die Modellwerkzeuge sind wichtige Bausteine für eine effiziente Sanierungsplanung und den Werterhalt der städtischen Abwasserinfrastruktur und wurden inzwischen in die Praxis überführt. Eine Übertragung der durch das Kompetenzzentrum Wasser und die Berliner Wasserbetriebe entwickelten Ansätze und Werkzeuge auf andere Kommunen und Betreiber ist vorgesehen.